Das gemütliche Selbstlernzentrum des Annette Gymnasiums wurde am 23. Januar 2025 zum Lesungsraum, denn Dirk Reinhardt, in Münster lebender Jugendbuchautor, folgte der Einladung der Deutschlehrerin Marie-Luise Habbel, die eine Lesung für zwei EF-Kurse und eine 10. Klasse organisierte. Der sympathisch und nahbar auftretende Autor, der lange Zeit als Journalist tätig war, bevor er 2009 sein erstes Buch veröffentlichte, las aus seinem jüngsten Buch „No Alternative“, das sich mit der Dringlichkeit von Klimaschutz beschäftigt. Gleichzeitig wirft der Roman ethische Fragen auf, wie weit ziviler Ungehorsam gehen darf, um für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen. Das Buch thematisiert den Versuch junger Klimaaktivist*innen, die richtige Balance zwischen Radikalität und Protest zu finden.
Dirk Reinhardt beginnt seine Lesung mit einem einführenden Sachvortrag über Phänomene der Klimakatastrophe und beweist seine Sachkenntnis und vor allem sein eigenes Interesse am Thema. Reinhardt begann mit einer ausführlichen Recherche zum Roman 2021, spricht mit Vertrer*innen der Letzten Generation während der Berliner Hungerstreiks, lernt ihre moralischen Überzeugungen kennen, vor allem aber die Dringlichkeit, die diese jungen Menschen in Bezug auf den Klimawandel antreibt.
„Es braucht heute Mut, um sich für das Leben und die Umwelt einzusetzen“, sagt Reinhardt, das habe er in den Gesprächen mit den jungen Menschen in Berlin erkannt. Aber er beschreibt auch ihre Frustration darüber, dass der Klimawandel immer wieder von anderen politischen Themen überlagert, tagespolitisch abgelöst und nicht ernst genug genommen werde. Stattdessen würden viele Klimaaktivist*innen kriminalisiert. Reinhardt verfolgte nicht nur mit großer Anteilnahme die Arbeit der Letzten Generation sowie die Reaktionen der Gesellschaft auf Protestaktionen, sondern begann Figuren zu entwickeln, die, so erzählt er, immer am Anfang stünden, wenn er einen neuen Roman schreibe. Diese Figuren fülle er mit Eigenschaften, Lebensgeschichten, ohne dass diese im Roman im in Gänze „verraten“ würden. Er wolle als Autor die Figuren vorher selbst erst richtig kennenlernen, um jeder einzelnen dann eine eigene Sprache zu verleihen.
Der Autor liest dann mit angenehm sonorer Stimme aus seinem Werk und haucht der Protagonistin Emma, aber auch den anderen Charakteren Leben ein. Seine Figuren folgen einem Plan, haben ein klares Ziel, haben einen „harten Geist, aber ein weiches Herz“, bringen Mut auf, um halzbrecherische Aktionen zu planen. So beginnt der Roman auch auf der Spitze des Frankfurter Messeturms, auf dem Emma ein Banner befestigt. Mit dem Satz: „Das sollte erst der Anfang sein!“ endet dieses erste Kapitel, dem die Schüler*innen gebannt folgten.
Während der 120-minütigen Lesung wird immer wieder deutlich, dass wir uns viele Fragen stellen, die sich die Figuren im Buch auch stellen und hart diskutieren: Was ist noch ethisch erlaubt? Wie weit darf man gehen? Rechtfertigt der Zustand unserer Welt, dass Umweltaktivist*innen 1000 Neuwagen in die Luft jagen? Auch innerhalb der Frankfurter Zelle der Gruppe „No Alternative“ entbrennt über diese Fragen immer wieder heftiger Streit.
Darüber hinaus ist der Roman sprachlich interessant, weil Reinhardt auf drei Erzählebenen berichtet. Neben Emmas Sicht auf die Dinge, erhält auch Finn das Wort. Er ist ein Freund von Emma, der sie von Kindesbeinen an kennt, nun journalistisch tätig wird und eine Reportage über das Engagement der Gruppe schreibt. Ausschnitte aus dem Manifest der Umweltbewegung, in denen die ungeheuerlichen Fakten zur Lage der Umwelt und des Klimas gelistet werden, unterbrechen diese beiden Perspektiven und lassen die Leser*innen nicht vergessen, auf welcher Grundlage die jungen Leute ihre zum Teil sehr radikalen Aktionen rechtfertigen.
Am Ende beantwortet der Autor noch Fragen der Schüler*innen zu seinem Werdegang. Eine wirklich spannende und ertragreiche Lesung, die für viele unserer Schüler*innen die erste dieser Art war.