von: Aurelia Bellm (Q2)

Stelle man sich vor, man stöbert in der Bibliothek und plötzlich taucht ein Buch auf, das einen über die eigene Familiengeschichte aufklärt, über eine Vergangenheit, die man noch nie vorher erzählt bekommen hat. So unrealistisch das auch klingen mag, genau das ist einer Frau namens Jennifer Teege mit 38 Jahren tatsächlich passiert, und es hat ihr Leben maßgeblich beeinflusst. Als ob ein solches Ereignis nicht schon genug wäre, hat sich durch dieses Buch zusätzlich herausgestellt, dass sie die Enkelin des ehemaligen KZ-Kommandanten Amon Göth ist.

Doch wie geht man mit einem solchen Schock um? Wie teilt man es seinen Freunden und der Familie mit? Aber vor allem: Wie konnte es überhaupt zu dieser Überraschung kommen? Diese und weitere Fragen konnte Jennifer Teege uns, dem Geschichtskurs aus der Q2 von Frau Hamidi, am Mittwochabend persönlich beantworten. Doch nicht nur die Fragerunde, sondern auch die Lesung ihres selbst geschriebenen Buches „Amon-Mein Großvater hätte mich erschossen“ hat uns alle sehr beeindruckt.

Darin erzählt sie, dass sie bei Adoptiveltern groß geworden ist und sie somit zu ihren leiblichen Eltern, einem Nigerianer und der Tochter Göths, gar nicht so viel Kontakt hatte. Ihre Großmutter, die Frau Göths, habe hingegen eine größere Rolle in ihrer Kindheit gespielt, da sie sie sehr geliebt habe. Jedoch habe ihre Großmutter bis zu ihrem Tod nichts bereut, was Jennifer Teege sehr kritisch sieht. Heute sieht sie beide Seiten in ihrer Großmutter: Auf der einen Seite die Großherzige und Liebende und auf der anderen Seite die Frau, die ihrem Mann nur dabei zugesehen hat, wie er tausende Menschen tötete.

Außerdem hat Jennifer Teege uns berichtet, wie schwierig es war, mit diesen neuen Informationen umzugehen, die ihr gesamtes Selbstverständnis durcheinander gebracht haben. Sie hat sich in den darauffolgenden Jahren sehr viel mit dieser Vergangenheit auseinandergesetzt und versucht, so viel wie möglich darüber zu erfahren. Nach einem jahrelangen Entwicklungsprozess hat sie erkannt, dass nicht diese Verwandtschaft, sondern die Werte, für die sie selbst einsteht, zählen.

Eine weitere Schwierigkeit war für sie, diese dramatische Familiengeschichte, der Familie, den eigenen Söhnen und den jüdischen Studienfreunden aus Israel mitzuteilen. Doch durch diese Gespräche konnte sie mit der Zeit immer offener über ihre Familie sprechen und hat sich schließlich dazu entschlossen, diese Geschichte mit anderen zu teilen.

Da wir uns schon im Unterricht bei Frau Hamidi auf diese Lesung thematisch vorbereitet hatten, war es nun umso interessanter, auf einem so persönlichen und emotionalen Weg noch mehr über ihre Familiengeschichte zu erfahren. Dabei hat Jennifer Teege die Geschichte nicht nur aus historischer, sondern auch aus psychologischer Sicht beleuchtet, was uns erneut die Vielschichtigkeit und die Komplexität dieses Themas vor Augen geführt hat.

Durch diese berührende Erfahrung wurde unserem Kurs erneut bewusst, wie wichtig es ist, über die Vergangenheit zu sprechen und sie in unser Leben mit einzubeziehen. Nur so können wir aus ihr lernen und dafür sorgen, dass solche schrecklichen Ereignisse, wie sie in der nationalsozialistischen Zeit vorgekommen sind, nie wieder passieren.