von: Doerthe Rayen 
aus: WN – 27.01.2023

Einen Koffer zu packen, ohne zu wissen, wohin die Reise geht und wie lange sie dauert? Das ist schwer. Ein achtes Schuljahr aus Münster hat Koffer gepackt – gedanklich. Darin landeten Plüschtiere, Fotos von Familie und Freunden. Ein Tagebuch. Die Lieblingskette. Viele schöne Dinge zum Erinnern, Festhalten und Bewahren.

Die Schülerinnen und Schüler vom Annette-Gymnasium haben mit ihren Lehrern einen Projekttag erlebt. Sie haben nachgespürt, wie es Tommy und seinen Eltern Bedrich und Johanna Fritta im Jahr 1941 wohl ergangen sein könnte. Damals wurde die jüdische Familie von den Nationalsozialisten ins Ghetto nach Theresienstadt gebracht. Das liegt im heutigen Tschechien. Der kleine Tommy musste sein Zuhause in Prag verlassen. Nur einen Koffer durfte die Familie mitnehmen.

„Das muss ein bedrückendes Gefühl gewesen sein: Eine Reise ins Nichts“, vermutet Matilda. Sie weiß um das Schicksal der Familie. Tommys Eltern haben die Nazi-Zeit nicht überlebt. Nur Tommy – und ein besonderes Bilderbuch. Tommys Vater war Künstler und hatte viele Bilder von seinem Sohn gemalt – in Theresienstadt, wo alles anders als zu Hause war. Die Bildersammlung wollte Bedrich Fritta seinem Sohn zum dritten Geburtstag schenken. Dazu kam es aber nicht mehr. Der Vater wurde nach Auschwitz ins Konzentrationslager gebracht und dort ermordet. Tommys Mutter starb in Theresienstadt – vermutlich aus großem Kummer und Schmerz.

Die Schülerinnen und Schüler haben durch ihr Projekt viel über die Nationalsozialisten erfahren. Sie wissen um das Leid der Familie Fritta, das stellvertretend für viele andere jüdische Familien steht. Julian ist schockiert: „Wir dürfen nicht vergessen, was die Nazis getan haben.“ Paul und Linda finden, dass über diese Phase der deutschen Geschichte gesprochen werden muss. „Wir müssen uns damit beschäftigen“, sagen die beiden. Mariam denkt an die vielen Opfer. „Dass Menschen wegen ihrer Religion ausgegrenzt und umgebracht werden, darf nie wieder passieren.“

Die Klasse war oft erschrocken von dem, was sie über die Nazis und ihre Herrschaft erfahren hat. Das Schicksal von Tommy stimmt sie traurig. Doch es gibt auch Tröstliches. Denn Tommy ist nicht allein geblieben. Sein Papa und dessen bester Freund Leo hatten sich versprochen: Wenn einem etwas passiert, kümmert sich der andere um die Familie. Tommy ist bei Leo aufgewachsen.

 

Mittlerweile gibt es sogar eine Reaktion des Sohnes von Tommy auf den Artikel über die Aktion unsere Schüler*innen. Er schrieb am 28. Januar:

„An die 8d und ihre Lehrkraft:

Hallo Leute,

Ich heiße David und bin der Sohn von Tommy. Ich habe aus der Westfälischen von eurer Sache gehört. Ich finde das gaaaaaanz toll, dass ihr euch mit diesem Thema beschäftigt habt. Denn Geschichte ist wichtig für die Zukunft. Wenn man an die
Vergangenheit schaut kann man aus deren Fehlern lernen.

Herzlichen Dank im Namen von Tommy. Ich kann euch sagen, dass ich das Original Kinderbuch jetzt ins jüdische Museum in Berlin gebracht habe, wo es jeder sehen kann. Denn wie Tommy schon gesagt hat: Es ist ein Buch für alle Kinder.

Herzliche Grüße von David Fritta – Haas“